DER TAGESSPIEGEL

8  DER TAGESSPIEGEL  LESERMEINUNG Nr. 16 585 / Sonntag, 24. Januar 1999 
 

In allen Religionen hält man den elterlichen Herd in Ehren

   1. Wenn man bei der Einbürgerung von Ausländern zu wählen hätte zwischen solchen, die nur gekommen sind, weil es sich hier besser lebt, und die nichts mehr von ihren ärmlichen Heimatsdörfern wissen wollen, und solchen, die verantwortungsvoll hier ihre “tägliche Leistungsberitschaft” unter Beweis stellen, zugleich aber auch ihre Herkunft und Wurzeln nicht vergessen, wen sollte man vorziehen? Das In-Ehren-Halten seines noch so ärmlichen elterlichen Herdes wird nicht zufällig nicht nur in der christlichen, sondern wohl in allen Religionen der Welt den Kindern zur Pflicht gemacht. 
   2. Die Deutschen leiden unter einem unlösbar erscheinenden sittlichen Dilemma: sie sind ein Volk auf dessen historische, kulturelle, wissenschaftliche, technologische und wirtschaftliche Leistungen sie mit allem Grund sehr stolz sein können, und sie haben ein zum Verlieben bildschönes Land zur Heimat, jedoch werden sie zugleich von der Bürde einer “Erbsünde” erdrückt, die ihnen jeglichen Stolz für ihr Land und Volk zu verbieten scheint. 
   Nun befinden sich viele Ausländer gerade deshalb in Deutschland, weil sie es in ihren eigenen Herkunftsländern mit Gewaltregimen zu tun gehabt hatten. Würden diejenigen unter ihnen, die dennoch die Liebe für ihr Geburtsland zu bewahren gewußt haben, junge Deutsche dazu inspirieren können, auf ihr Land und Volk wieder stolz zu sein, ohne sich vorher in die Klauen reschtsradikaler Rattenfänger zu begeben? 
   3. In der Vergangenheit konnten einige Ausländer nur deshalb nicht eingeburgert werden, weil die Regierung ihres Herkunftstaates sich weigerte, sie aus ihrer ursprünglichen Staatsbürgerschaft zu entlassen (Beispiel: Iran). Ist der Rechtszustand nicht unerträglich, der einen fremden Staat bestimmen läßt, wen Deutschland bei sich einbürgern darf und wen nicht?

WARUNO MAHDI,
Berlin–Neukölln

 

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