Wenn einem Schriftsteller Papier und Bleistift, 
ja sogar die Nahrung weggenommen wird, 
kann er sich dann noch als Schriftsteller betätigen?

Er konnte!

Pramoedya Ananta Toer
(sprich: Pramuhdia Ananta Tuhr)

 liest und beantwortet Fragen im:

Haus der Kulturen der Welt
 Dienstag, 29. Juni 1999, 19.30 Uhr 

Ein Baum im Wald ist umgefallen, aber niemand hat das gehört. Da fragt der Philosoph: Existierte der Baum denn überhaupt? Und wenn ein Mensch im Wald gefallen und liegen geblieben ist, und keiner erinnert sich an ihn, hat dieser Mensch jemals gelebt?

Diese Frage beschäftigte den kanadischen Journalisten Stan Persky, als er die ins Englische übersetzten Memoiren (``Das lautlose Lied eines Stummen'') des indonesischen Schriftstellers Pramoedya Ananta Toer las. Denn es waren genau 325 Mithäftlinge in der Strafkolonie auf Buru, die Toer am Schluß des Buches auflistet, mit Angaben zur Person und Todesursache. ``Vom gefällten Baum erschlagen'', ``erschossen'', ``im Fluß ertrunken'', ``irreversible Dehydratation'', ``Selbstmord durch Erhängen'' waren einige davon, neben Typhus, Ruhr und Malaria.

Pramoedya Ananta Toer, oder einfach Pram, wie er von seinen Landsleuten liebevoll genannt wird, war schon immer ein unbequemer Schriftsteller. Denn ihn interessierte vor allem der Mensch und wie er trotz aller Widrigkeiten seinen Weg durchs Leben findet. Wer sich mit einigen dieser Widrigkeiten identifizierte, konnte sich dabei angegriffen fühlen....

Als Indonesien noch um seine Unabhängigkeit kämpfte, nahmen ihn 1947 die Kolonialherren fest. Im unabhängigen Indonesien wurde er 1960 erneut verhaftet: Er hatte die diskriminierte chinesische Minderheit in einem Buch verteidigt.

Aber erst die Militärs, die 1965-66 die Macht im Land ergriffen, erkannten in ihm einen besonders gefährlichen Feind. 14 Jahre lang hielten sie ihn ohne Prozess im Haft, 10 Jahre davon in der oben erwähnten Strafkolonie auf Buru. Die Häftlinge bekamen keine Nahrung. Bis sie etwas angebaut hatten, lebten sie von Blättern, Wurzeln und Eidechsen. Ihm wurden Papier und Schreibutensilien verboten. Wenn man welches bei ihm entdeckte, wurde es sofort beschlagnahmt. Ein Schlag mit dem Gewehrkolben gegen den Kopf hat ihn außerdem fast taub gemacht.

Doch er schrieb. Er schrieb im Kopf und erzählte es allabendlich seinen Mithäftlingen, um sie etwas abzulenken. Dank der Proteste der Weltöffentlichkeit durfte er in den letzten Jahren der Haft wieder normal schreiben und brachte alles zu Papier: eine Serie von 4 Romanen, seine jetzt berühmt gewordene Buru-Tetralogie.

Der dritte Teil, "Spur der Schritte", ist gerade
auf Deutsch beim Horlemann-Verlag erschienen.

1980 kam er aus der Haft, wurde aber unter Hausarrest gestellt, der später in Stadtarrest umgewandelt wurde. Erst jetzt, 1999, darf er ausreisen. Zum ersten Mal seit 40 Jahren reist er ins Ausland, und besucht Amerika und Europa.

Überall findet er begeisterten Empfang. Bereits früher wurde er mehrmals geehrt: 1988 mit dem Freedom to Write-Preis des PEN Club USA, 1989 mit dem Preis der Fund for Free Expression in New York, 1995 mit dem Preis der Wertheim-Stiftung (Niederlande) und dem Raymon Magsaysay-Preis (Philippinen), 1996 mit dem Madanjeet Singh-Preis der UNESCO. Und jetzt, 1999, bekam er die Ehrendoktorwürde von der University of Michigan (zusamen mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan) und wurde von Frankreich zum Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres ernannt. Er gilt auch als aussichtsreicher Anwärter auf den Nobelpreis für Literatur.

Besondere Genugtuung bringt ihm aber Zuspruch normaler Menschen. Diesen bekommt er fortdauernd und, wie Sylvia Tiwon von der University of California in Berkeley feststellte, bei vielen, unerwarteten Anlässen:

Ein New Yorker Cop im Dienst, z.B., bittet ihn auf offener Straße um ein Autogramm, denn Prams Werke hätten ihn dazu inspiriert, auf Verbesserungen im Justizsystem hinzuarbeiten.

Zu der großen Pramoedya-Veranstaltung in Vancouver kam eine Delegation des Indianerstammverbundes der Nuu-Chah-Nulth aus dem entlegenen Städtchen Port Alberni angereist. Während des Abends ergriff ihr Anführer Ron Hamilton das Wort: Die Werke Prams hätten für die koloniale Erfahrung der kanadischen ``Ersten Nationen'' besondere Bedeutung. In einer traditionellen Zeremonie überreichte er Pram einen Adlerfeder.

Trotz seiner kleinen, schmächtigen Statur wurde er von den Mächtigen gefürchtet. Die leise Stimme dieses fast tauben Mannes drang bis zu den entlegensten Indianerhütten im Norden Amerikas. Ist es vielleicht jene lautlose, durchdringliche Stimme, mit welcher sich auch das Gewissen Gehör verschafft?

Man nennt ihn die Stimme Indonesiens. Es handelt sich um die Stimme desjenigen Indonesiens, das ein Bestandteil der ganzen Menschheit ist. Eine indonesische Stimme der Menschheit, der Menschlichkeit, des Menschlichen im Menschen. Menschlich nicht im Sinne von schwach und unvollkommen, sondern von bei aller Schwäche und Unvollkommenheit den Weg durchs Leben findend.

Es ist eine Stimme, die optimistisch wirkt nicht durch forsche Sprüche, sondern indem sie die stille Kraft anspricht, die in jedem Menschen verborgen ist. Sie besingt keine spektakulären Siege --- sie sind vergänglich ---, sondern sucht nach Erfahrung und Erkenntnis, beide unvergänglich, weil keine Endstationen kennend.

Pram ist ein Meister der Sprache. Seine Erzählkunst dringt fast unmerklich wie ein gutartiger Virus in die Fantasie ein, und infiziert sie mit Bildern aus der erlebten und nie erlebten Realität. Es sind sehr freundliche, fast vertraute Bilder, die eine zeitlich und räumlich entfernte Welt nahebringen und die Welt der nahen Umgebung zugänglicher, gar heimischer werden lassen.

Jetzt wird Pram selbst für einen Abend für uns erlebbar sein. Er liest aus ``Spur der Schritte'' und beantwortet Fragen am:

Dienstag, den 29. Juni 1999, um 19.30 Uhr

im

Haus der Kulturen der Welt

(John-Foster-Dulles-Allee 10; mit Bus 100 vom Zoo oder von Unter den Linden).

 
 
 
 
 

Wo kann ich mehr erfahren über Pram?

Im Funk und Fernsehen:

WDR, Weltkulturspiegel, Sonntag, 20. Juni 1999, 22.45 Uhr

WDR-3, MOSAIK, 23 Juni 1999, 8.00 Uhr

SFB-4, Multi-Kulti, Montag, 26. Juni 1999

Im Internet:

http://www.mediacompany.com/horlemann/pram/pramrahm.html

http://www.wdr.de/tv/kulturweltspiegel/19990620/4.html

http://www.radix.net/~bardsley/prampage.html

http://www.aasianst.org/absts/1996abst/seasia/sea15.htm

http://w3.rz-berlin.mpg.de/~wm/wm6pram.html

(ViSdP. Waruno Mahdi)
 
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